Gesundheit

Medikamenten-Mangel in Österreich – was jetzt aus ist

Viele Medikamente sind derzeit nicht lieferbar. Dabei liegt das Problem nicht an den Apotheken, sondern ganz woanders. Zwei Experten klären auf.

Sabine Primes
Da die Medikamentenproduktion nach China und Indien ausgelagert ist, ist ganz Europa abhängig.
Da die Medikamentenproduktion nach China und Indien ausgelagert ist, ist ganz Europa abhängig.
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Von Antibiotika über Schmerzmittel bis zu Hustensaft müssen sich Konsumenten dieser Tage auf Engpässe einstellen. Dieses Problem besteht jedoch nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa, wie Wolfgang Müller von der Österreichischen Apothekerkammer gegenüber "Heute" betont. Einer der Gründe ist die Auslagerung der Produktion nach China und Indien.

Da die Arzneimittelwirkstoffe aus Kostengründen zunehmend dort hergestellt werden, besteht die Gefahr, dass die verhängten Sperren und Reisebeschränkungen Auswirkungen auf die Produktion und Lieferung von Wirkstoffen und damit auf die Verfügbarkeit von Arzneimitteln für den globalen Markt haben. "Diese Auslagerung fällt Europa auf den Kopf", meint Müller.

Das zweite Problem ist der Zusammenschluss von Pharmaunternehmen: Dadurch werden gewisse Wirkstoffe zunehmend nur mehr von einem Unternehmen hergestellt und das oft auch nur mehr an einem einzigen Ort. Fällt dort die Produktion aus, fehlt das entsprechende Arzneimittel auf dem gesamten Weltmarkt. In diesem Fall muss, soweit möglich, auf ein wirkstoffalternatives Ersatzpräparat ausgewichen werden.

"Es gibt immer irgendwo Lieferschwierigkeiten"

Lieferengpässe von Medikamenten seien auch nichts Neues. Die habe es immer schon gegeben. Da hätten jetzt nicht zwingend die Pandemie oder der Ukraine-Krieg etwas damit zu tun. "Bei 19 Prozent der Medikamente gibt es immer irgendwelche Lieferschwierigkeiten, die der Patient nicht unbedingt immer spürt", erklärt Andreas Windischbauer, Präsident des Verbandes der Österreichischen Arzneimittel-Vollgroßhändler ("Phago").

Da es aktuell zusätzlich am Antibiotikum "Amoxicillin/Clavulansäure" mangelt, ist die Versorgungssituation im September schlechter als in den Vormonaten, weil dieses oft verschrieben wird. Auch das Schmerzmittel Parkemed ist momentan Mangelware. Das Problem: Wenn der große Hauptproduzent das Produkt nicht hat, können auch die kleinen Firmen den Engpass nicht auffangen, weil die Ware dann in Österreich einfach nicht vorhanden ist. Die Problematik bestehe vor allem bei gängigen Medikamenten, die oft verschrieben werden, wie Schmerzmittel oder Antibiotika. Bei speziellen, teuren Arzneien wie etwa Krebsmedikamenten ist der Ausfall  äußerst gering.

Von China und Indien abhängig

"Weit über 90 Prozent der Medikamente werden aus Asien importiert, ein verschwindend kleiner Anteil in Europa oder Österreich. Daher befinden wir uns in einer großen Abhängigkeit, die nur auf politischer Ebene gelöst werden kann", hält Windischgruber fest. "Solange sich an dieser Situation nichts ändert, werden die Lieferengpässe bestehen bleiben – mal besser mal schlechter."

So können Apotheker helfen

"Im Prinzip sitzen die Apotheker mit den Patienten im selben Boot", sagt Müller. Viele Apotheker versuchen aber die Situation für die Patienten tragbar zu machen, indem sie selbst aktiv werden und – nach Absprache mit dem Arzt des Patienten – nach Ersatzmedikamenten suchen, andere Apotheken kontaktieren und es dann von dort beschaffen können oder – in seltenen Fällen – es aus dem Ausland bestellen. Laut Umfrage verbringen Pharmazeuten im Schnitt zwei Stunden am Tag damit, so an die fehlenden Medikamente zu kommen.

Mit einer Entspannung der Situation sei in nächster Zeit nicht zu rechnen. "Wir können sie aber verbessern, indem für kurzfristige Ausfälle die Vorräte in Österreich erhöht werden. Auf lange Sicht aber muss die Produktion nach Europa zurückkehren", appelliert Windischbauer.

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